1. FFC Montabaur

U-17 Juniorinnen in USA: 5. Reisebericht

Liebe Daheimgebliebene,

es ist kaum zu fassen, wie schnell die Zeit verfliegt. Gefühlt sind wir grade erst angekommen, morgen geht es schon wieder in die Heimat.

Und ich bin mit meinen Berichten gerade mal bis Montag gekommen und so vieles Aufregendes und Schönes fehlt noch. Allein der Dienstag hatte genug Erlebnisse für mehrere Tage zu bieten: Kanufahrten, die Vorführung eines waschechten Falkners und ein ausgiebiges Barbecue in der Abendsonne am Lake Murray – Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich die Mädels beneide, die direkt an dessen Ufer bei Gastfamilien untergebracht waren. Der Lake Murray ist einer der vielen Stauseen in South Carolina – und bestimmt einer der schönsten. Angelegt wurde er in den 1920ern und obwohl er (etwas) kleiner als der Bodensee ist, würde eine Umrundung aufgrund der zerklüfteten Küstenlinie ewig dauern. Überall schieben sich kleine Landzungen ins Wasser, auf denen dann ein oder mehrere Häuser mit eigenem Steg und natürlich eigenem Boot liegen. Alina und Marie haben ja am Sonntag bereits eine Motorboottour über den See gemacht. Wir anderen hatten zwar nicht das Glück, aber immerhin konnten Benita, Larissa, Medina und Ebru während des Barbecue in einem Tretboot in Ufernähe umherpaddeln. Zwar war das kleine Bötchen mit vier Personen derart überladen, dass sie sich allerhöchstens ein paar Mal im Kreis drehten, aber darauf kommt es ja nun nicht an.

Aber ich komme schon wieder mit der Chronologie durcheinander, denn das Barbecue fand am Spätnachmittag/Abend statt, am Vormittag begaben wir uns alle aufs Nasse, als wir eine Kanutour über den Broad River machten. Erst mal die wichtige Nachricht: Larissa ist nicht ins Wasser gefallen. Das ist niemand. Auch nicht diejenigen, die sich am Anfang ein paar Sorgen machten – so ein Kanu wirkt ja erst mal wacklig, der Fluss unbekannt und wer weiß schon, ob die unzähligen Schildkröten, die sich auf den Felsen im Fluss sonnen, es nicht insgeheim auf einen abgesehen haben…? Aber im Endeffekt hatten alle riesigen Spaß, die meisten wurden durch ausufernde Wasserschlachten pitschnass (bei 25 Grad und Sonne kein Problem) und für den Fall der Fälle waren natürlich alle mit Rettungswesten ausgerüstet und immer einer der drei amerikanischen Begleiter oder einer von uns Betreuern in der Nähe.

Zwischen den Wasserspielen auf dem Broad River (der sich aus dem Zusammenfluss von Congaree und Santee River bildet und bis nach Charleston führt) und dem Lake Murray wurde uns von einem Gastvater die Kunst der Falknerei nähergebracht. Wer wollte, durfte Rocky, den Falken, sogar streicheln oder füttern – unter strenger Beobachtung zweier riesiger Weißkopfseeadler, die in der Höhe über uns kreisten, da ihr Nest direkt am Anwesen des Falkners liegt. Ich könnte mich jetzt ewig über die Faszination dieser eleganten Tiere auslassen, aber erstens schien für die Mädels verständlicherweise Füttern und Streicheln das Wichtigste zu sein, zweitens muss ich mich ein bisschen sputen, um all die Ereignisse bis heute (Donnerstag) aufzuholen.

Auf dem weiten Grundstück der Familie Hart (die Falkner – ich glaube aber, das Grundstück gehört Grandma Hart. Alina und Marie wissen da Bescheid, sie waren bei den Harts untergebracht) wurde dann auch gegrillt und gefeiert. Nach und nach trafen die Gasteltern und US-Mädels ein, während unsere das Golfcart von Granny Hart entdeckten, die ihnen dann auch sofort ausgedehnte Touren damit erlaubte. Da Eure Mädels logischerweise noch relativ wenig Fahrerfahrung aufweisen, habe ich mich als strenger Beifahrer dazugesetzt, die Mädels eingewiesen dann ganze 15 Mal die gleiche Runde über das Grundstück gedreht – jede wollte mal gefahren sein, Lena gleich zwei Mal. Ich glaube, am Ende war die Batterie leer, ich hatte mir jedenfalls den Hintern wundgesessen, durfte dann aber Estelle als beste Golfcartfahrerin krönen.
Der Dienstag war meiner Meinung nach einer der besten Tage. Das lag nicht nur am Programm oder am Wetter, sondern vor allem daran, dass eure Töchter mal mehr Zeit mit den Amerikanerinnen hatten, die sehr kreativ zu nutzen wussten: Ich weiß bis jetzt nicht, wer die Gruppentanznummer der deutschen und amerikanischen Mädels koordiniert und geleitet hat, aber das wirkte fast wie aus einem Guss!

Es gäbe noch so viel mehr zu berichten, vom tollen Essen zum Beispiel (der Fußballtorte), typisch weiblichen Reaktionen (Jürgen zu Britta und Paula, als sie sich mit Essen an unseren Tisch setzen: „Hier, hört mal… ach, bei Euch ist’s gut.“ Britta ganz geschockt: „Was, sind wir zu dick?!“) oder beinahe brutalen Gruppenspielen (fragt Eure Töchter mal nach einem Spiel namens „Red Rover“), aber ich springe mal weiter zum Mittwoch, den ich sehr kurz fassen möchte. An diesem Tag stand eine Universitätsführung auf dem Programm, bei der manchen Mädels vor allem der Guide gefiel – Ron höchstpersönlich zeigte uns den Campus der boomenden University of South Carolina, die gerade im Monatstakt Multimillionengebäude hochzuziehen scheint. Wir versuchten, Euren Töchtern das amerikanische Bildungswesen etwas näherzubringen – wer weiß, vielleicht bekommt ja eine mal Lust, hier zu studieren. Nach South Carolina jedenfalls haben sie jetzt Kontakte, die ein solches Vorhaben erleichtern könnten.

Nachmittags ging es noch in den an diesem Tag leider überfüllten Riverbanks Zoo, der, bei allem Wissen um die Problematik solcher Einrichtungen, einer der schönsten seiner Art in den USA sein soll. Gerade wird dort viel umgebaut, das hat das Erlebnis natürlich etwas beeinträchtigt, abgesehen von den Menschenmassen. Ich hoffe aber doch, dass alle die zwei Stunden dort zu nutzen wussten – außer Sssssandra (die Mädels werden verstehen…), die wegen ihrer derzeitigen Einschränkung die Tour und den Zoo nicht mit uns erleben konnte. Aber wie am Montag versorgte Kenan sie fast simultan mit Bildern, so konnte sie zumindest teilhaben.

Der heutige Donnerstag begann dann, wie Ihr bestimmt schon alle mitbekommen habt, mit einem kleinen Schock – dem Unfall auf der Interstate. Wie Ihr wisst, sind alle vollauf gesund geblieben und niemandem ist etwas passiert, was wir alle Kenan zu verdanken haben, der seinen Van unter Kontrolle halten konnte, als dem ihn überholenden Auto der rechte Vorderreifen platzte und es seitlich Kenans Bus streifte. Wir mussten natürlich alle anhalten (ich auch, um beim Übersetzen zu helfen) und es dauerte etwas, bis die Polizei da war, aber letzten Endes verlief alles sehr glatt. Der Unfallverursacher, der zunächst auf alle etwas seltsam wirkte (wir sind in diesem extrovertierten Stil gekleidete Menschen weniger gewöhnt, allein so ein goldenes Gebiss hatte ich bis dahin noch nie live gesehen), entschuldigte sich tausend Mal für alles. Sobald Ron und Sandra eingetroffen waren, brachten die beiden die Mädels in meinem Van und Rons PKW von der Unfallstelle weg, so dass Kenan und ich mit dem Polizisten und Maurice, dem Unfallverursacher, zurückblieben, um den Papierkram zu regeln.

Natürlich hatten wir großes Glück, dass nichts weiter passiert ist, als dass der schöne weiße Bus dicke Kratzer über die gesamte linke Seite hat. Aber ich hoffe sehr, dass Ihr, liebe Eltern, nicht zu sehr beunruhigt wart oder seid (wenn Ihr das lest, sind wir vielleicht schon wieder daheim). Ich denke, dass unsere besonnene Reaktion zeigt, wie gut Eure Töchter bei uns aufgehoben sind.

Durch die Sache haben Kenan und ich natürlich das Bowling-Turnier nahezu komplett verpasst (der Papierkram dauerte ziemlich lange), so kann ich Euch nicht sagen, wer Talent für diesen Sport unter Beweis stellte – ich kann nur berichten, dass ich mich bei dem einen Spiel, das ich mitgemacht habe, nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe.

Einer der Kernpunkte des Austauschs folgte dann am Abend: Das Pokalspiel um den Sir-Alfred-Müllers-Cup und die Abschiedsfeier, die wie gesagt immer wieder viel zu früh kommt.

Vorneweg eine ziemlich gute Nachricht: Eure Töchter sind die ersten seit 2009, die den Cup nach Deutschland geholt haben – und das schließt die Jungs von Horressen mit ein! Das heutige (inzwischen gestrige, Mitternacht ist rum) 2:0 war eine ganz starke Leistung von allen, die auf dem Platz standen! Von Anfang wurden die Amis unter Druck gesetzt, das Spiel fand fast komplett in ihrer Hälfte statt. Wenn sie in der ersten Halbzeit mal gefährlich wurden, war Moana zur Stelle, um die lang gespielten Bälle abzufangen – das war eine Torwartleistung im Stile eines Manuel Neuer!

Die beiden Tore vielen in unserer Drangphase, die fast die gesamte erste Hälfte über andauerte – in der 15. Minute durch einen schönen Lupfer von Benita, kurz danach vollendete Clara eine Vorlage von Lena mit einem Direktschuss aus der Drehung ins lange Eck – Zuspiel und Abschluss auf technisch höchstem Niveau.
Es war erstaunlich, wie früh und mit welcher Hartnäckigkeit unsere Mädels die Gegnerinnen attackierten, selbst nach dem 2:0 ging das lange so weiter. Der Siegeswille war jederzeit zu spüren, bei jeder einzelnen – ob bei Estelle und Medina, die ein ums andere Mal lang geschlagene Bälle abfingen, bei Lena, Clara oder Hatice, deren Dribblings die Amis schwindelig spielten oder bei Betül, die hinten links fast jeden Zweikampf gewann. Und das als Linksverteidigerin aus Personalnot, denn Marie und Betül fielen ja für das Spiel aus. Dazu musste Larissa recht früh verletzt runter. Paula ersetzte sie zwar hervorragend, aber das bedeutete, dass Jürgen schon nach ca 15 Minuten keine Wechseloption mehr hatte.

Und gerade das zeigt den unbändigen Willen besonders deutlich: Während der SCUFC immer wieder frische Spielerinnen in die Partie werfen konnten (ein Wechsellimit gab es nicht), mussten unsere Mädels durchhalten. Natürlich nahm unser Druck deswegen in der zweiten Hälfte etwas ab, aber bis auf ein oder zwei Mal wurde es nie brenzlig oder wirkte es so, als ob die Amerikanerinnen das Spiel übernehmen würden. Moana rettete einen Ball aus kürzester Distanz mit einem Klassereflex, musste einen scharfen Schuss ins lange Eck seitwärts abwehren und fischte einer gegnerischen Stürmerin im Strafraum gekonnt den Ball vom Fuß, ansonsten kamen die Amis kaum zu Chancen.

Britta, Clara oder Benita versuchten dagegen immer wieder, zu Abschlüssen zu kommen, von den Seiten brachten Lena und Alina, aber auch Britta immer wieder Flanken in den Sechzehner und Hatice passte den ein oder anderen Ball in den Lauf von Clara oder Benita.

Trotz nachlassender Kräfte ließen die Mädels nicht locker – und dabei muss man ja nicht nur die Knappheit an Spielern berücksichtigen, sondern auch die großen Anstrengungen der letzten Zeit. Jeden Tag langes Programm, ständig neue Eindrücke, dazu natürlich eine Menge an Junkfood – bis jetzt sorgte das immer wieder mal dafür, dass unseren Mannschaften in der zweiten Halbzeit die Luft ausging – heute bzw. gestern nicht. Wie Alina sich gegen Spielende vorne im Strafraum festlief (da war die Konzentration nicht mehr bei hundert Prozent), Sekunden später aber schon zur Mittellinie zurückgespurtet war, um den hoch geschlagenen Ball der Amerikanerinnen erfolgreich abzufangen, hat mich schwer beeindruckt. Ähnliches gilt eigentlich für alle, Lena und Clara zum Beispiel spulten ein Dribbling nach dem anderen ab, Hatices Übersicht ließ nie nach und Benita sorgte vorne ständig für Unruhe.

Kurzum: Dieser Sieg war redlich verdient und die Mädels können verdammt stolz auf ihre Leistung sein. Wir Betreuer sind es. Allein Jürgens Gesicht bei der Preisübergabe hättet Ihr sehen sollen: Er sagt ja, dass das hier im Grunde ein Freundschaftsspiel und deshalb nicht so wichtig sei (womit er Recht hat), aber seine Augen und sein Grinsen zeigten ganz deutlich, dass das Spiel ihn mächtig stolz gemacht hat. Bleibt nur zu hoffen, dass Larissas Verletzung nicht schwerwiegend ist. Sie spricht von einer Zerrung.

Mit so einem Sieg im Rücken lässt sich dann doch leichter feiern. Bei Pizza und Softdrinks gab es die üblichen warmen Worte – und das hört sich nun viel profaner an, als es ist. Natürlich haben Ron und ich inzwischen eine gewisse Routine, wenn es darum geht, die Bedeutung und den Hintergrund dieses Austauschs zu erklären und die Danksagungen an jene auszusprechen, die ihn ermöglichen (das sind vor allem die Eltern, die sich viel Zeit nehmen und unglaublich herzlich um Eure Kinder kümmern), aber es ist jedes Mal etwas Besonderes, zumindest für mich. Ich habe immer wieder aufs Neue Gänsehaut, wenn ich von Alfreds Biographie spreche und wie wichtig es ist, dass junge Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenkommen. Und wer mich dabei erlebt, der merkt auch, dass es von Herzen kommt.

Die Mädels verbringen nun die letzte Nacht bei ihren Gastfamilien. Jetzt um halb zwei morgens sollten sie wohl alle schlafen, zumindest gibt es keine Aktivität mehr in der Whatsappgruppe – vielleicht bringen sie den US-Mädels aber noch etwas Deutsch bei, wobei ich hoffe, dass das dann auch über das sehr Basale und auf Körperfunktionen beschränkte Vokabular hinausgeht, dessen Unterricht ich vorhin live miterleben durfte (aber immerhin war auch „Ich liebe Dich“ dabei). Mal sehen, wie viel davon die Amis nächstes Jahr noch mit nach Deutschland bringen.

Ich werde versuchen, nach unserer Rückkehr noch einen letzten, abschließenden Bericht zu schreiben, das kann ich aber nicht versprechen. Das beste Fazit bekommt Ihr sowieso direkt von Euren Töchtern, wenn Ihr sie Samstag Morgen wiederhabt.

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