U-17 Juniorinnen in USA: 4. Reisebericht
Liebe Daheimgebliebene,
die arme Paula. Ich glaube, noch am Samstag Morgen in Deutschland werde ich sie als Britta, Larissa oder sonstwie anreden. Andauernd verwechsle ich sie mit jemand anderem. Dabei ist es nicht mal so, dass ich Eure Mädels inzwischen nicht kennen gelernt hätte (und darüber bin ich sehr froh), aber immer wenn ich ihr gegenüberstehe, braucht mein Hirn länger, um zu schalten. Vielleicht liegt das daran, dass ich sie als eine der ruhigsten in der Gruppe empfinde, die insgesamt aber sehr aufgeweckt und lebendig ist – und das keinesfalls im negativen Sinne!
Nachdem wir den Sonntag ja individuell verbracht hatten, trafen wir uns Montag Morgen zum gemeinsamen Frühstück im Capital City Club im Herzen Columbias – in der höchsten (25.) Etage des höchsten Gebäudes des gesamten Bundesstaates. Wo sonst nur Anzugträger und Aktionäre der im Gebäude untergebrachten Bank unter sich dinnieren und sich von freundlichen Angestellten in Uniform bedienen lassen (übrigens sind fast alle Angestellten farbig, die Gäste aber fast durchweg weiß – ein Spiegel der sozialen Lage), zog Montag früh ein Wirbelwind von 14 Mädels durch, die etwas Leben in die Bude brachten und ein Buffet stürmten, das in der Heimat eher zum Mittag aufgebaut werden würde: Geriebene gebratene Kartoffeln, überbackener Fisch, Miniburger im Selbstbaukasten, Bacon natürlich und das allseits beliebte Grits. Dabei handelt es sich um eine Südstaatenspezialitat, die uns hier immer wieder angepriesen wird – eine Art Grießbrei auf Maisbasis, der zum Beispiel mit Käse gegessen wird. Die Mädels waren schon beim Anblick etwas misstrauisch. Und nach dem Probieren umso mehr. Wenn ihnen also auch sonst vieles gefallen hat (wie ich hoffe und meine), fragt sie besser nicht nach Grits. Zu verdanken hatten wir das exklusive Frühstück übrigens Kenans und meinem Gastgeber, dem episkopalischen (oder presbyterianischen??) Priester und Immobilienhecht Carroll McGee – eine 78jährige Frohnatur von einem Manne mit dem Charme eines jungen Casanova. Sein Vater, so erzählt er, habe die halbe Stadt in den 50ern und 60ern aufgebaut. Dieses Geschäft führt Carroll offensichtlich sehr erfolgreich fort, verbindet das aber mit seiner sozialen und religiösen Ader – so hat er zum Beispiel in der Stadt ein Armenkrankenhaus aufgebaut und unterhält es auch.
Die Mädels jedenfalls genossen Essen und Aussicht, auch wenn eine Wolkenfront über die Stadt zog, die den Blick etwas vermieste und auch das Programm auf den Kopf stellte: Geplant war im Anschluss eine Stadtführung, die wir aber aus Rücksicht auf drohenden Regen durch den Besuch des nahen State Museums ersetzten. Das erstreckt sich über drei Etagen und bietet von Geologie über Astronomie bis hin zum Allerspannendsten – Geschichte natürlich – einiges zum Erkunden. Die Mädels versuchten sich zumeist an physikalischen Experimenten, leider meistens ohne sich um die Hintergründe zu kümmern (ich kann’s ihnen nicht verübeln, ist ja nicht Geschichte), Benita vertiefte ihre künstlerische Ader, fast alle testeten ihre Reaktionsfähigkeiten sowie Balance und Estelle und Alina musste ich aus einem riesigen Traktorreifen scheuchen, weil sie sich darin liegend eine doch allzu ausgedehnte Auszeit gönnten (sie hofften wohl auf ein kleines Nickerchen – aber nicht mit mir im Museum!). Zwischendurch kamen die Mädels aber auch immer wieder mit Fragen auf mich zu, die ich hoffentlich weiterbringend beantworten konnte. So etwas freut mich immer sehr, weil das vielmehr Neugierde und Interesse ausdrückt als Rückfragen zu irgendwelchen Lehrvorträgen. Und auch wenn ich mal zwischendurch nachhakte um etwas zu überprüfen, das ich ihnen irgendwann die Woche erzählt hatte, so wusste doch immer irgendjemand eine Antwort (und zwar nicht nur Britta, der man den Geschi-Leistungskurs wirklich anmerkt!).
Das Mittagessen gab es bei Five Guys – einem von vielen amerikanischen Burgerläden. Einer der besseren Sorte. Hier kann man sich seinen Burger individuell zusammenstellen, vom Salat über die Soße bin hin zu Raritäten wie gegrillten Pilzen – Ihr merkt schon: Der perfekte Ort, um mit einer Gruppe von zwanzig Leuten zu essen. Entsprechend verwirrt haben Kassierer und andere Kunden auch geguckt. Aber überraschenderweise hatte am Ende jeder den Burger, den er/sie bestellt hatte. Und die meisten Mädels wissen jetzt auch, dass der grüne Blattsalat hier nicht „salad“, sondern „lettuce“ genannt wird. So macht einen selbst Essen schlauer…
Glücklich und gesättigt liefen wir nach dem Burgerfest zum nahen State House, der politischen Zentrale South Carolinas. Und das lesend merkt Ihr vielleicht, dass der Bürgermeisterempfang im Bericht fehlt. Leider musste er kurzfristig nach Kalifornien fliegen und da wir natürlich viel zu wichtig sind, um uns von irgendeinem niederen Beamten begrüßen zu lassen (immerhin haben wir im Capital City Club gefrühstückt!), sind wir naserümpfend zum Burgerladen abmarschiert… na gut: Eigentlich gab es auf eine so kurzfristige Absage einfach keine Möglichkeit mehr, eine Alternative aufzutun. Die Mädels schienen das spätestens abgehakt zu haben, als sie ihren Burger in den Händen hielten. Aber zurück zum State House: In ihm sind Regierung (zumindest Gouverneurin und Vize-Gouverneur) wie auch die beiden Parlamentskammern untergebracht. Da fällt mir ein, dass ich die Mädels mal fragen sollte, ob sie noch wissen, wie die beiden Kammern heißen…
Bei der Führung durch das Gebäude merkte man dann aber doch, dass die Mädels langsam die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit erreichten. Die Augen wirkten etwas müde, die Gedanken schienen abzuschweifen. Nach fast zehn Tagen zollt das intensive Programm seinen Tribut. Aber Eure Töchter haben sich tapfer geschlagen und vor allem scheinen sie nie etwas von ihrer guten Laune zu verlieren. So viel Kultur, Politik und Geschichte an einem Tag verlangte dann auch nach einer kleinen Belohnung in Form eines Eises, um die rauchenden Köpfe abzukühlen. Und ich hoffe, dass der State House-Besuch trotz der hohen Belastung in guter Erinnerung bleibt, allein schon wegen der persönlichen Urkunden, die den Mädels überreicht wurden. Eine Anerkennung und Wertschätzung direkt vom Sprecher des Repräsentantenhauses, also einem der wichtigsten Politiker in South Carolina.
Nach einer kurzen Erholungspause in den Gastfamilien versammelten wir uns dann endlich (Jürgen hätte sich auch wohl keinen weiteren Tag geduldet) das erste Mal an einem Fußballplatz. Da kam dann auch Sandra wieder zu uns, die das vorherige Tagesprogramm nicht hatte mitmachen können, weil die Beinverletzung längere Fußstrecken nicht zulässt und ja eigentlich die Stadtführung geplant war. Kenan hat sie aber den Tag über mit einer Live-Berichterstattung mittels Whatsappbildern auf dem Laufendem gehalten. Er avanciert im Übrigen zum inoffiziellen Fotografen der Gruppe, so oft zuckt er das Handy, um jeden erdenklichen Moment festzuhalten. Die Mädels murren schon manchmal etwas, vor allem, wenn sie für das Foto in Richtung Sonne gucken oder ihre Haare zurechtmachen müssen… also eigentlich immer… Die Beschwerden reichen von „Ich bin so käsig“ über irgendwas mit Klamotten bis hin zu etwas mit den Augen… Bitte verzeiht, wenn ich da nicht so ganz genau hinhöre. Aber eines ist klar: So schlimm kann’s nicht um die Mädels bestellt sein, denn heute durfte Lena sich von einer Verkäuferin anhören, dass sie so genüsslich und formvollendet in einen Donut hineinbeiße, dass es direkt aus einer TV-Werbung stammen könnte.
Aber zurück zu Montag. Abends stand erst eine Trainingseinheit an, danach ein kurzes Spiel gegen eine etwas jüngere Mädchenmannschaft des SCUFC (South Carolina United FC – das schreib ich aber nur einmal aus), die aber höherklassig spielt. Meines Erachtens täuschte das 1:1 am Ende über unsere Überlegenheit hinweg. Das 1:0 durch Hatice nach Vorlage von Benita war wunderschön herausgespielt, unsere Mädels waren über weite Strecken überlegen und machten das Beste aus dem Acker, der sich Fußballplatz schimpft (das ist tatsächlich ein großes Problem des SCUFC, das aber mittels eines neuen Komplexes mit fünf Spielfeldern gelöst werden soll). Larissa erhielt vom Amerikaner, der mit mir zuschaute, ein Sonderlob für ihre Übersicht und Ballbehandlung, das ich noch gar nicht persönlich an sie weitergeleitet habe und Moana hat einige gute Paraden gezeigt. Das 1:1 fiel dann, als wir wegen einer leichten Verletzung von Alina in Unterzahl waren. Unterm Strich gibt es sicher Luft nach oben, aber das ist nach den letzten Tagen auch verständlich.
So, eigentlich wollte ich Dienstag noch mit in diesen Bericht packen, das wird aber erstens zu lang und zweitens muss ich doch mal schlafen. Ich soll Eure Töchter ja nicht übermüdet durch Columbia kutschieren. Gute Nacht!